Trödelmarkt
Im Rahmen einer selbstadministrierten Expo-Therapie stehe ich heute im Innenhof bei meinem ersten eigenen Trödelmarkt. Warum das mit irgendwelchen Ängsten zusammenhängt, erkläre ich gleich.
Zum Innenhof muss man wissen, dass er von allen Seiten von bewohnten Häusern umgeben ist, aus deren Fenstern und Balkonen viele Augenpaare raus und runter schauen können. Mit den meisten der Personen, zu denen diese Augenpaare gehören, habe ich in den zwei Jahren meines Mietverhältnisses nichts zu tun gehabt. Ein junges Paar, dessen Auto neben meinem im Hof geparkt steht, hat der Balkon mit Aussicht direkt zum Hof, die kenne ich auch, die waren heute auch schon zweimal draußen. Eine ältere Frau vom Haus etwas weiter hinten, mit dem grünen Balkon und den Hängepflanzen, hat mich sicherlich immer wieder im Bikini und mit Buch selbst auf meinem Balkon sitzen sehen. Heute kauft sie meinen quadratischen roten IKEA-Teppich. Das sind Blicke, die ich permanent im Hinterkopf spüre, wenn ich bei meinem Trödelmarkt mit Kisten herumhantiere, Kleider aufhänge, Teppiche ausklopfe und hinstelle, Neuverpacktes neben Müll neben geliebte alte Klamotten, die ich zu konkreten Ereignissen in Raum und Zeit ganz genau platzieren kann.
Ich schäme mich.
Angst Nr. 1
Sie sehen meine Sachen, meinen Besitztum, was im Kleiderschrank und im Keller war, sie sehen dabei zu viel von mir, ich fühle mich entblößt, sie machen sich ein Bild von meinem sonstigen Mobiliar, der Einrichtung, meinem Lebenstil, von mir. Sie finden es lächerlich, dämlich, hässlich, peinlich, schmutzig, schrottig.
Angst Nr. 2
Es kommt niemand vorbei.
Ich habe zwar online bei Kleinanzeigen und in verschiedensten Facebook-Gruppen den Trödelmarkt zweifach ausgeschrieben, wurde aus manchen sogar rausgeworfen, weil sie nur zum Verschenken gedacht sind. Ich habe auch bunte Zettel gemacht, ausgedruckt und in der Nachbarschaft an Hauswänden und Gemüseladenfenster geklebt, wo sie potenziell Blicke anziehen könnten. Auch am Bahnhof hängt einer. Ich habe mich bei nebenan.de registriert (viel zu spät wohl, weil ich es vorher nicht kannte, der Tipp kam erst heute). Und trotzdem nach einer ersten ganz kleinen Welle Kundschaft und einem paar klimpernden Euromünzen in der Blechdose ist es jetzt menschenleer. Keine gezielten Besuche, keine neugierigen Passanten. Es ist Mittagszeit an einem kalten Sonntag und mich schmerzt es, für mickrige 15 Euro sechs Stunden im Hof gesessen zu haben. Drei Stunden davon habe ich noch vor mir.
Angst Nr. 3
Unter all den Sachen, die ich im Hof aufgetürmt habe, gibt es auch ein paar neuwertigeren. Ein Paar warme Handschuhe, die D. aus Kanada mitgebracht hat, habe ich versehentlich für sehr wenig Geld abgegeben. Für den Fußabtreter hat mir das alte Paar doppelt so viel gegeben, wie ich verlangt habe, vermutlich weil sie den Wert besser einschätzen konnten als ich. Was irgendwie wertvoll ist in der Trödelsammlung, verkaufe ich bestimmt unter Wert, auch wenn es mir vordergründig darum geht, ebendiese Dinge nicht wegzuwerfen oder umsonst wegzugeben. Ich mache Pläne für weitere Trödelmärkte, vielleicht in Berlin, bei den Kult-Flohmärkten am Boxhagener Platz oder im Mauerpark; ich stelle mir vor, dass dies alles dort besser läuft, dass da auch mehr Privatleute vorbeikommen und nicht wie in Frankfurt eher die Weiterverkäufer, die Geschäftsleute, die Mittwochs-am-Museumsufer-Flohmarkthändler. Denn erstens schüchtern sie mich ein und zweitens, wollen sie alles viel zu billig abnehmen, damit sie ja selbst damit später einen Gewinn machen können.
Angst Nr. 4
Korreliert direkt mit der 3. Aus Angst, Dinge unter Wert zu verkaufen, verliere ich mein Hauptziel aus den Augen. Planung, Schweiß, schweres Tragen waren umsonst, wenn ich nicht genug weg bekomme. Ich will das alles nicht beim Umzug mitnehmen müssen. Ich tue mich schwer, das auszusprechen, weil es doch Dinge sind, die ich irgendwie mag (weil ich sie früher einmal gemocht habe). Aber ich möchte leichter reisen, diesmal wenn möglich, und langsam glaube ich nicht mehr daran, dass es möglich sein wird. Ich möchte jedoch nichts einfach wegschmeißen, ich kann es nicht einfach an den Straßenrand stellen, die selben Händler kommen dann vorbei und holen es umsonst ab, das möchte ich nicht, diese gewiefte Frechheit lasse ich ihnen nicht. Zum Spenden habe ich nicht die Zeit, die wollen da alles erstmal kontrollieren und die Termine sind erst im November.
Zum Innenhof muss man wissen, dass er von allen Seiten von bewohnten Häusern umgeben ist, aus deren Fenstern und Balkonen viele Augenpaare raus und runter schauen können. Mit den meisten der Personen, zu denen diese Augenpaare gehören, habe ich in den zwei Jahren meines Mietverhältnisses nichts zu tun gehabt. Ein junges Paar, dessen Auto neben meinem im Hof geparkt steht, hat der Balkon mit Aussicht direkt zum Hof, die kenne ich auch, die waren heute auch schon zweimal draußen. Eine ältere Frau vom Haus etwas weiter hinten, mit dem grünen Balkon und den Hängepflanzen, hat mich sicherlich immer wieder im Bikini und mit Buch selbst auf meinem Balkon sitzen sehen. Heute kauft sie meinen quadratischen roten IKEA-Teppich. Das sind Blicke, die ich permanent im Hinterkopf spüre, wenn ich bei meinem Trödelmarkt mit Kisten herumhantiere, Kleider aufhänge, Teppiche ausklopfe und hinstelle, Neuverpacktes neben Müll neben geliebte alte Klamotten, die ich zu konkreten Ereignissen in Raum und Zeit ganz genau platzieren kann.
Ich schäme mich.
Angst Nr. 1
Sie sehen meine Sachen, meinen Besitztum, was im Kleiderschrank und im Keller war, sie sehen dabei zu viel von mir, ich fühle mich entblößt, sie machen sich ein Bild von meinem sonstigen Mobiliar, der Einrichtung, meinem Lebenstil, von mir. Sie finden es lächerlich, dämlich, hässlich, peinlich, schmutzig, schrottig.
Angst Nr. 2
Es kommt niemand vorbei.
Ich habe zwar online bei Kleinanzeigen und in verschiedensten Facebook-Gruppen den Trödelmarkt zweifach ausgeschrieben, wurde aus manchen sogar rausgeworfen, weil sie nur zum Verschenken gedacht sind. Ich habe auch bunte Zettel gemacht, ausgedruckt und in der Nachbarschaft an Hauswänden und Gemüseladenfenster geklebt, wo sie potenziell Blicke anziehen könnten. Auch am Bahnhof hängt einer. Ich habe mich bei nebenan.de registriert (viel zu spät wohl, weil ich es vorher nicht kannte, der Tipp kam erst heute). Und trotzdem nach einer ersten ganz kleinen Welle Kundschaft und einem paar klimpernden Euromünzen in der Blechdose ist es jetzt menschenleer. Keine gezielten Besuche, keine neugierigen Passanten. Es ist Mittagszeit an einem kalten Sonntag und mich schmerzt es, für mickrige 15 Euro sechs Stunden im Hof gesessen zu haben. Drei Stunden davon habe ich noch vor mir.
Angst Nr. 3
Unter all den Sachen, die ich im Hof aufgetürmt habe, gibt es auch ein paar neuwertigeren. Ein Paar warme Handschuhe, die D. aus Kanada mitgebracht hat, habe ich versehentlich für sehr wenig Geld abgegeben. Für den Fußabtreter hat mir das alte Paar doppelt so viel gegeben, wie ich verlangt habe, vermutlich weil sie den Wert besser einschätzen konnten als ich. Was irgendwie wertvoll ist in der Trödelsammlung, verkaufe ich bestimmt unter Wert, auch wenn es mir vordergründig darum geht, ebendiese Dinge nicht wegzuwerfen oder umsonst wegzugeben. Ich mache Pläne für weitere Trödelmärkte, vielleicht in Berlin, bei den Kult-Flohmärkten am Boxhagener Platz oder im Mauerpark; ich stelle mir vor, dass dies alles dort besser läuft, dass da auch mehr Privatleute vorbeikommen und nicht wie in Frankfurt eher die Weiterverkäufer, die Geschäftsleute, die Mittwochs-am-Museumsufer-Flohmarkthändler. Denn erstens schüchtern sie mich ein und zweitens, wollen sie alles viel zu billig abnehmen, damit sie ja selbst damit später einen Gewinn machen können.
Angst Nr. 4
Korreliert direkt mit der 3. Aus Angst, Dinge unter Wert zu verkaufen, verliere ich mein Hauptziel aus den Augen. Planung, Schweiß, schweres Tragen waren umsonst, wenn ich nicht genug weg bekomme. Ich will das alles nicht beim Umzug mitnehmen müssen. Ich tue mich schwer, das auszusprechen, weil es doch Dinge sind, die ich irgendwie mag (weil ich sie früher einmal gemocht habe). Aber ich möchte leichter reisen, diesmal wenn möglich, und langsam glaube ich nicht mehr daran, dass es möglich sein wird. Ich möchte jedoch nichts einfach wegschmeißen, ich kann es nicht einfach an den Straßenrand stellen, die selben Händler kommen dann vorbei und holen es umsonst ab, das möchte ich nicht, diese gewiefte Frechheit lasse ich ihnen nicht. Zum Spenden habe ich nicht die Zeit, die wollen da alles erstmal kontrollieren und die Termine sind erst im November.
——
Ein paar Tassen Tee später, kurz nachdem ich die Rotweinflasche runtergebracht hatte, fingen wir an, alles wegzuräumen, zwei verspätete Interessierte kamen verunsichert nur kurz in den Hof rein, schnell wieder raus. Was wirklich nichts mehr wert war, ließen wir draußen stehen, einige Deutschlehrbücher, die metallene Schuhablage, die damals oben vor D.‘s Zimmer gestanden hatte, die verrostete Ablage für die Badewanne, mit Haltern für Weingläser, Buch und Kerze, die D. damals als Weihnachtsgeschenk für uns gekauft hatte, vermutlich das einzige Geschenk, dass er tatsächlich zu Fuß persönlich im Laden jemals für mich besorgt hatte. Das Sofa ließen wir vor dem Haus stehen, da, wo der Bewegungssensor das Licht vor der Eingangstür anschaltet und schon wenige Stunden darauf ließ es die alte Chinesin verschwinden; auf WhatsApp versprach sie mir noch 5 Euro dafür, später log sie, dass es irgendjemand genommen hätte, obwohl ich es durchs Fenster des Erdgeschosses im Zimmer der Untermieter sah. Es war mir egal, das Herz tat mir ohnehin schon weh. Ich weiß sehr genau, wann und wie M. und ich damals dieses Sofa abgeholt hatten und daraufhin Ayran tranken und uns ein riesiges warmes Fladenbrot teilten. Es war ein verschenktes Sofa gewesen. Eines Sonntags hatte ich Nadines Buch von Anfang bis Ende durchgelesen, auf diesem Sofa liegend.
Auch die graue Stehlampe aus dem ehemals gemeinsamen Wohnzimmer brachte ich an den Straßenrand und zwei Tage später lag es noch da, als ich mit dem vollen Transporter ein letztes Mal dort an der roten Ampel wartete.
Wir haben 23,50 vom Trödelmarkt eingenommen und nahmen alles übrige - in Kartons und Säcken - trotzdem doch noch mit uns mit. Vielleicht verdient es ja eine weitere Chance auf einem der Kult-Flohmärkte.
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